Unangebrachte Ängste und falsche Vorstellungen nähren ein falsches Bild von China, das die beste Gelegenheit für Investments in A-Aktien seit einer Generation zu verdecken droht.

Kommentatoren haben ihre Enttäuschung über die schleppende Erholung Chinas nach der Covid-Krise und das Ausbleiben groß angelegter Konjunkturmaßnahmen zum Ausdruck gebracht. Hinzu kommen Sorgen über die Schwäche des verschuldeten Immobiliensektors und die geopolitische Volatilität. Viele befürchten nun, dass die politischen Entscheidungsträger ihr BIP-Wachstumsziel von 5 % verfehlen werden.

Diese Probleme haben sich zu einem negativen Bild von China zusammengefügt, das das Vertrauen in den Markt erschüttert hat. Ausländische Anleger zogen im vergangenen Monat eine Rekordsumme von 12 Mrd. USD aus chinesischen Aktien ab.11

Die Bewertungen sind auf historische Tiefststände gesunken. Am 31. August lag das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis der im MSCI China A-Share Index enthaltenen Unternehmen 11 % unter dem 5-Jahres-Durchschnitt und das Kurs-Buchwert-Verhältnis sogar 19 % unter dem 15-Jahres-Durchschnitt.2

Das Gewinnpotenzial der Unternehmen ist jedoch nach wie vor intakt. Das geschätzte Wachstum des Gewinns je Aktie für die Unternehmen im A-Aktien-Index lag 41 % über dem 5-Jahres-Durchschnitt.3

Was in den globalen Kommentaren weitgehend fehlt, ist eine Würdigung der längerfristigen politischen Ziele der Regierung und die Berücksichtigung der Faktoren, die die Marktvolatilität antreiben.

Die Rivalität zwischen den USA und China zwingt die politischen Entscheidungsträger, sich auf die nationale Sicherheit und die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit im eigenen Land zu konzentrieren und mehr Wert auf zukünftiges als auf gegenwärtiges Wachstum zu legen, um das Risiko größerer Schocks in der Zukunft zu verringern.

Demnach ist das derzeitige Wachstumsziel Chinas weniger wichtig als frühere, da die Behörden in Hightech-Industrien investieren, um das Wachstum zu stützen und die Bedrohung durch bestehende und künftige US-Sanktionen abzumildern.

Wenn Chinas langfristiges Wachstum jedoch intakt bleibt - wovon wir ausgehen -, dann bietet sich jetzt eine einmalige Gelegenheit, chinesische Qualitätsaktien mit guten Ertragsaussichten zu günstigen Preisen zu kaufen - vor allem solche, die sich gut entwickeln könnten, sobald die Ängste nachlassen.

Wir haben gute Gründe zu glauben, dass Chinas Wachstum nicht zusammenbricht. Die Ersparnisse der chinesischen Haushalte bieten ein Aufwärtspotenzial, das der Markt scheinbar aufgegeben hat.

Wir beobachten, dass chinesische Unternehmen die niedrigen Bewertungen nutzen, um ihre eigenen Aktien zurückzukaufen. Dies könnte ein erster Schritt sein, um die Aktienkurse wieder anzukurbeln und das Vertrauen der Anleger wieder zu stärken.

Unserer Meinung nach ist dies ein günstiger Zeitpunkt für Anleger, den Zahlen zu folgen und nicht der Masse.

"Dies ist ein günstiger Zeitpunkt für Investoren, den Zahlen zu folgen und nicht der Masse.

Eine Frage des Vertrauens

In ihrer Enttäuschung haben Kommentatoren negative Vergleiche zwischen der Wiedereröffnung Chinas nach dem Covid mit der des Westens gezogen. Zu Beginn dieses Jahres übertraf die Wachstumsdynamik Chinas im Quartalsvergleich die Markterwartungen, aber sie hat sich seitdem schneller abgeschwächt als prognostiziert.

Nach der abrupten Aufhebung der Null-Covid-Regelungen in China Ende letzten Jahres haben die Haushalte ihre Freiheit zunächst genossen. Die Einzelhandelsumsätze stiegen zwischen November 2022 und Februar dieses Jahres um fast 16 % an.4

Doch nachdem die anfängliche Euphorie verflogen war, kehrten sie zu einem konservativeren Ausgabeverhalten zurück. Aus den Kennzahlen für Juli geht hervor, dass sich die Einzelhandelsumsätze im Jahresvergleich auf 2,5 % gegenüber einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 8 % vor der Pandemie im Jahr 2019 verlangsamt haben.5

Gleichzeitig verzeichnen wir jedoch eine steigende Nachfrage nach Reisen und Tourismus. Fernreisen6 und die Passagierzahlen in U-Bahnen und Flugzeugen7 liegen deutlich über dem Vorjahresniveau, und auch die Einnahmen an den Kinokassen sind in diesem Sommer gestiegen.8

Wichtig ist, dass die chinesischen Behörden nicht die Art von üppigen Almosen verteilten, die den Märkten der Industrieländer einen solchen Aufschwung verliehen. Die chinesischen Haushalte verfügen immer noch über ein Füllhorn ungenutzter Ersparnisse, die sie während der Lock-downs angesammelt hatten und die etwa 4 % des BIP ausmachen.9

Wir sind zuversichtlich, dass ein weiterer Rückgang der Sparquote der privaten Haushalte in den kommenden Monaten eine umfassendere Erholung im Dienstleistungsbereich und beim Verbrauch ermöglichen wird.

Außerdem erleben wir einen Zyklus des Lagerabbaus in der Industrie, da die Unternehmen ihre Lagerbestände reduzieren. Wenn dieser Zyklus endet, werden die Unternehmen wieder investieren und neue Mitarbeiter einstellen müssen. Dies dürfte das Lohnwachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in den nächsten sechs Monaten ankurbeln und das Vertrauen der Haushalte stärken.

Das Fehlen eines Urknalls

Ein großer Streitpunkt für die Kommentatoren war das Ausbleiben eines groß angelegten Konjunkturprogramms, und auch wir sind der Meinung, dass die politische Reaktion bisher nicht sehr überzeugend war.

Die schwachen Daten für Juli haben zumindest zu einer weiteren Lockerung der Geldpolitik im August geführt, u. a. bei der 7-tägigen Reverse-Repo-Rate, der mittelfristigen Kreditvergabe und dem Leitzins für einjährige Kredite. Dies dürfte dazu beitragen, die finanziellen Bedingungen in einem angemessenen Zeitrahmen weiter zu lockern.

Die Haushalte sollen auch eine neue Steuervergünstigung für die Betreuung von Kindern und älteren Menschen erhalten. Dies könnte für etwa 80 % der Einkommenssteuerzahler gelten und auf den Beginn dieses Jahres zurückdatiert werden.

Darüber hinaus werden die Banken zu einer Senkung der Hypothekenzinsen gedrängt, und auch eine Senkung der Einlagenzinsen durch die Großbanken regt die Haushalte zum Konsum an und trägt gleichzeitig dazu bei, die Nettozinsmargen der Banken zu schützen.

All dies ergänzt die Maßnahmen zur Stützung des angeschlagenen chinesischen Immobilienmarktes, darunter niedrigere Mindestanzahlungen und eine Lockerung der Klassifizierung von Erstkäufern in einigen Städten.

Die People's Bank of China hat außerdem den Mindestreservesatz für Devisen um zwei Prozentpunkte auf 4 % gesenkt und sich damit weiter gegen eine Abwertung des Renminbi gestemmt.

Nach reiflicher Überlegung sehen wir die Gefahr, dass die Märkte die politische Reaktion Chinas und die kumulativen Auswirkungen dieser kleinen Schritte zu sehr abtun.

Wir gehen davon aus, dass die Behörden eine akkommodierende Haltung einnehmen und die Steuerausgaben erhöhen werden. Zudem werden sie die Emission von Staatsanleihen in vollem Umfang nutzen werden, um Investitionen in Bereichen wie der Infrastruktur zu fördern.

Der weit verbreitete Irrglaube unter den Anlegern ist, dass sie auf einen groß angelegten Stimulus warten sollten und dass sich die Aktienkurse ohne diesen nicht erholen können.

Die Konjunkturmaßnahmen stützen den Markt auf breiter Front. Was für Anleger viel wichtiger ist, ist der Einblick in die Unternehmensgewinne. Nur durch die Analyse der Fundamentaldaten von Unternehmen können Anleger verstehen, wie sich diese entwickeln werden und wie nachhaltig eine Investition sein kann.

Die Sichtbarkeit der Erträge ist heute wichtiger denn je, denn die Behörden wollen die "kleinen Riesen" fördern, d. h. kleine Unternehmen zu Branchenführern machen, um die Innovation voranzutreiben und China zu helfen, mit den USA zu konkurrieren.

Wir prognostizieren eine starke Nachfrage nach Komponentenherstellern, die sich auf Elektrofahrzeuge spezialisiert haben, und sehen hier Potenzial für ein hohes Gewinnwachstum. Bemerkenswert ist auch, dass unsere "grünen" Aktien mit einem Abschlag von 49 % gegenüber ihrem Dreijahresdurchschnitt gehandelt werden10 – was deren großes Anlagepotenzial unterstreicht.

Gefahren bei Immobilien

Darüber hinaus konzentrieren sich die Bedenken der Anleger auf die Risiken der Verschuldung im Immobiliensektor, auf den rund ein Viertel der chinesischen Wirtschaftstätigkeit entfällt.11

Verschuldete Bauträger haben Schwierigkeiten, ihre Projekte abzuschließen, während sie sich an die neuen regulatorischen Gegebenheiten anpassen. Zahlungsausfälle von prominenten Unternehmen wie Evergrande und Probleme bei Country Garden, das bis vor kurzem als qualitativ hochwertiger Bauträger galt, haben das Vertrauen des Marktes erschüttert.

Der Abschwung des Sektors hat die Stimmung am Aktienmarkt getrübt. Dennoch machen Immobilien nur 1,8 % des MSCI China A Index11 sup>12 und 2,6 % des MSCI All China Index aus.13

Wir müssen mit weiteren Zahlungsausfällen und Umstrukturierungen rechnen, wenn die Bereinigung und Konsolidierung des Sektors ihren Lauf nimmt. Aber wir erwarten auch mehr politische Maßnahmen, um sicherzustellen, dass dies nicht zu Chinas eigenem "Lehman Brothers-Moment" wird.

Denken Sie daran, dass der staatliche Bankensektor nach wie vor ein mächtiger Hebel ist, den die Behörden einsetzen können, um Risiken zu bekämpfen, die vom Immobiliensektor ausgehen und sich über das Finanzsystem ausbreiten könnten.

Chancen wieder in den Blick rücken

Die Unterschätzung der längerfristigen politischen Ziele Chinas trägt unserer Meinung nach zu einem falschen Bild bei und führt zu einer sich selbst verstärkenden Negativspirale in Bezug auf die Marktstimmung.

Die Behörden könnten das Wachstum jetzt ankurbeln, aber dadurch könnten Risiken aufgebaut werden, die das Wachstum später in Form einer Finanz- oder Immobilienkrise, die zu einer Rezession und einer längeren Belastung der Wirtschaft führt, teuer zu stehen kommen könnten. Unserer Meinung nach ist es besser, jetzt in den sauren Apfel zu beißen. Die Verringerung des Immobilienrisikos hat zwar einen Preis in Form eines langsameren Wachstums, vermeidet aber wahrscheinlich einen höheren Preis zu einem späteren Zeitpunkt.

Die kumulativen Auswirkungen kleinerer Konjunkturmaßnahmen, des Abbaus von Lagerbeständen und der Aktienrückkäufe chinesischer Unternehmen können unserer Meinung nach dazu beitragen, das Wachstum zu stützen und das Vertrauen der Märkte in der zweiten Jahreshälfte wiederherzustellen.

Was wir mit Gewissheit sagen können, ist, dass Chinas Aktienmarkt im historischen Vergleich und gegenüber den USA und anderen Schwellenländern billig ist. Auch Qualitätsaktien wurden stark abgewertet. Doch wenn die Markterholung wie von uns erwartet an Fahrt gewinnt, werden sich die Anleger schnell wieder auf die Fundamentaldaten besinnen.

Dann bietet sich unserer Meinung nach die beste Gelegenheit seit langem, in hochwertige A-Aktien mit guten Ertragsaussichten zu investieren. Die Anleger müssen nur über das derzeitige, allzu negative Bild hinausschauen.